Was bei einer guten Geschichte in deinem Gehirn geschieht
Immer mehr Unternehmen setzen heute auf die Marketingstrategie des Storytellings. Dahinter verbirgt sich im Grunde nichts anders als die Übertragung der Kunst des Geschichtenerzählens auf die Werbung. Wie das funktioniert und wieso ist eine gute Geschichte so wichtig? Stell dir vor, jemand erklärt die Lösung zu einem Problem. Doch anstatt dich mit Statistiken und Bulletpoints zu bombardieren, beschreibt er den Weg vom Problem zur Lösung in einem Narrativ, die von Charakteren bis zum dramatischen Spannungsbogen alle wichtigen Elemente einer guten Geschichte enthält.
Welche Wirkung hat das? Es führt mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass sich die Zuhörer mit den Hauptfiguren identifizieren und die Inhalte als kurzweilig oder spannend erleben. Die Vorteile für das Marketing liegen auf der Hand: Aus plumper Werbung mit aufdringlicher Kaufempfehlung wird hochwertiger Content mit geschickter Produktplatzierung. Nur was genau passiert dabei eigentlich in unserem Gehirn?
Was in deinem Gehirn geschieht, wenn du eine gute Geschichte hörst
Die kognitive Wirkung einer guten Geschichte ist gewaltig. Wenn du einen Vortrag voller Zahlen, Fakten und Stichpunkten hörst, müssen die sprachverarbeitenden Areale deines Gehirns die Informationsverarbeitung alleine stemmen. Wenn dieselben Inhalte in eine beliebige Art von Narrativ eingebettet werden, aktiviert dein Gehirn neben dem Sprachzentrum alle anderen Sinne, die die Geschichte anspricht. Das führt dazu, dass wir auf die Charaktere einer Geschichte neuronal genauso reagieren, als interagierten wir mit „echten“ Menschen. Wenn du beispielsweise hörst, wie die Sprungbewegung einer Person beschrieben wird, sendet der Motorkortex in deinem Gehirns dieselben Signale, als führte dein Körper die Bewegungsabläufe wirklich aus. Damit werden die Erlebnisse des Protagonisten buchstäblich zu deinen Erfahrungen. Und wenn du den Weg vom Problem zur Lösung persönlich nachvollziehst, schreibt sich die Erinnerung gleich viel tiefer in dein Gedächtnis ein.
Erlebnisse wie am eigenen Leib
Forscher haben wiederholt untersucht, wie wir Menschen Geschichten erleben. Bei einer Studie wurde zum Beispiel die elektrodermale Aktivität – also der Leitungswiderstand der Haut – von Personen gemessen, die eine gruselige Geschichte hörten. Bei erhöhtem Stresspegel kommt es zu einer vorübergehenden Erhöhung der Hautleitfähigkeit und einer stärkeren Schweißsekretion. Die Probanden empfanden dann die größte Angst, wenn sie bereits vor den Charakteren ahnten, dass etwas Schreckliches passieren würde. Die Ergebnisse liefern eine logische Erklärung dafür, dass sich spannende Geschichten tiefer ins Gedächtnis schreiben als trockene Fakten. Wir erinnern uns so gut, weil wir die Ereignisse buchstäblich am eigenen Leib erfahren. Wir sind emotional voll involviert und erleben die Situation so, als wären wir selbst vor Ort!
In einem vergleichbaren Versuchsaufbau wurden den Probanden Szenen gezeigt, in denen die Charaktere intensive Gefühle wie Angst, Schmerz oder Freude empfanden. Die Auswertungen von Hirn-Scans und Blutproben zeigten deutliche neuronale und biochemische Reaktionen. Die Werte waren vergleichbar mit denen von Personen, die diese Gefühle im „echten Leben“ am eigenen Leib erfuhren.
Studien wie diese zeigen die ganze Macht der Geschichten: Sie entführen uns an fremde Orte. Sobald uns eine Geschichte in ihren Bann zieht, erleben wir sie körperlich und geistig so, als wären wir selbst ein Teil davon.
Gute Geschichten setzen chemische Botenstoffe frei
Es gibt einen weiteren Grund dafür, dass wir uns besser und nachhaltiger an Geschichten erinnern als an reine Fakten: Wenn wir eine gute Geschichte hören, setzt unser Gehirn chemische Botenstoffe frei!
Einer davon ist Dopamin. Eine gute Geschichte regt die Neuronen an, die für die Produktion des Gefühlshormons verantwortlich sind. Der Neurotransmitter Dopamin ist als Übermittler synaptischer Signale zwischen Gehirnzellen an positiven Empfindungen und Regungen wie Schmerz und Trauer beteiligt. Wenn sich die Hauptfiguren einer Geschichte in einer emotional belastenden Situation befinden, zeigen Hörer und Zuschauer ganz konkrete Symptome: schnelleren Pulsschlag, erhöhte Schweißbildung und volle Konzentration. Sie sind so involviert, dass sie theoretisch in jedem Moment anstelle der fiktiven Charaktere handeln könnten.
Wichtigen Anteil an dieser Handlungsbereitschaft hat das Stresshormon Cortisol. Je angespannter oder gestresster du bist, desto mehr Cortisol produziert dein Körper. Das Hormon macht dich aufmerksamer und fokussierter, damit du schnell und präzise reagieren kannst.
Gute Geschichten können auch Endorphine freisetzen. Deren Hauptfunktion ist es, die Übertragung von Schmerzsignalen zu hemmen. Endorphine haben also sedative Wirkung: Sie lindern die Beschwerden einer an sich unangenehmen Aktivität – zum Beispiel eines sehr anstrengenden Trainings oder intensiver körperlicher Arbeit – indem sie ihnen positive Gefühle wie Freude und Befriedigung entgegensetzen. Wir alle kennen das Gefühl, beim Sport oder einer konkreten Tätigkeit in dem erfüllenden Gefühl des „Flows“ zu versinken. Während unser Körper die Stress-Symptome verarbeitet, sorgen Endorphine dafür, dass wir mit Begeisterung bei der Sache sind.
Gute Geschichten können auch zur Ausschüttung des Bindungshormon Oxytocin führen, das uns positive Emotionen wie Vertrauen und Mitgefühl empfinden lässt. Oxytocin wird sonst bei zärtlichen Berührungen oder Gesten ausgelöst und signalisiert unserem Gehirn, Gefühle der Fürsorge und Verantwortung für andere Menschen zu entwickeln. Je mehr Oxytocin unser Körper produziert, desto enger und emphatischer fühlen wir uns mit den Charakteren einer guten Geschichte verbunden.
Dopamin, Cortisol, Oxytocin und Endorphine… gute, faszinierende und ergreifende Geschichten haben also erwiesenermaßen großen Einfluss auf unser Gehirn. Wenn der Protagonist am Ende einer packenden Handlung endlich über den Schurken triumphiert, ist die Erleichterung und Freude in unserem Körper so echt, als hätten wir das Abenteuer selbst bestritten.
Der dramatische Spannungsbogen
Gute Geschichten folgen einer ganz besonderen Struktur: dem sogenannten dramatischen Spannungsbogen. Wie die großen Dramen der klassischen Literatur umfasst eine gelungene Erzählung eine Exposition, einen Anstieg der Spannungskurve bis zum Höhepunkt oder Klimax, ein Abklingen der Spannung und die Auflösung des Konflikts. Geschichten mit einer solchen Spannungskurve haben wesentlich höhere Chancen, die Aufmerksamkeit eines Zielpublikums auf sich zu ziehen. Sie regen mehrere Sinne und Hirnareale gleichzeitig an und sorgen so für intensivere emotionale Reaktionen. Dadurch bleiben die Inhalte der Geschichte leichter und nachhaltiger im Gedächtnis als Aufzählungen korrekter, aber letztlich trockener Fakten.
Wir halten fest: Hinter einer guten Geschichte verbirgt sich eine Wissenschaft, die du effektiv in Unternehmensvideos, Dokumentationen, Werbespots, Erklärvideos oder Videopräsentationen einsetzen kannst! Baue gute Geschichten ganz natürlich in deine Kommunikation ein, um deine Gesprächspartner und Adressaten tiefer und nachhaltiger zu erreichen. Halte dich an das Prinzip des dramatischen Spannungsbogens, um deine Geschichte erfolgreich zu erzählen. Baue hier und da subtilen Humor ein, sprich’ aktuelle und relevante Themen an, mit denen sich dein Zielpublikum identifizieren kann und setze auf Stilmittel wie angenehme Hintergrundmusik. Eine gute Geschichte kann schließlich beeindruckende biochemische Reaktionen auslösen. So wird sich dein Publikum an die Geschichte und mit höherer Wahrscheinlichkeit auch an deine zentrale Botschaft erinnern. Das ist die Quintessenz guter Kommunikation.